Zsuzsanna Soósné Dezső

43 Jahre alt; Ausbildung: MSc in Meteorologie, PhD in Geowissenschaften; ist Assistenzprofessorin an der Universität Eötvös Loránd, Budapest; verheiratet, Mutter von fünf Kindern, das sechste Kind wird im Frühjahr 2021 geboren. Ist mit ihrem Mann Mitglied im Schönstatt Familienbund.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau geprägt?

Als ich jung war, erhielt ich ein Buch über die Berufung von Frauen: Wie kann eine Frau in der heutigen Gesellschaft ihr Gleichgewicht finden, sich als geliebtes Kind Gottes erleben und sowohl ihre eheliche als auch mütterliche Berufung entfalten? Dieses Buch hat mich sehr beeindruckt und mich in meinem Bild von mir und meinem Beruf geprägt. Mann und Frau wurden gleich an Würde, aber dennoch unterschiedlich erschaffen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Gottes Vorstellung von unserer Berufung ist größer als wir es uns je vorstellen könnten.

Als Frau ist für mich der wichtigste Auftrag, Leben zu geben und dem Leben zu dienen, sowohl im konkreten physischen als auch im übertragenen Sinne. Dies steht mir auch in meinem persönlichen Ideal sehr nahe. Durch Gottes Segen durfte ich meinen Kindern das Leben schenken, auch jetzt wächst neues Leben in mir. Jeden Tag versuche ich, ihrem Leben, ihrem körperlichen und geistigen Wachstum zu dienen. In meiner Familie, in meiner Ehe kann ich das Wachstum eines von Gott gesegneten Lebens erleben. Ein wichtiges Vorbild für mich ist dabei die Gottesmutter Maria, die zu ihrem eigenen Leben und dem ihres Kindes Ja gesagt hat.

Wo in Ihrem Leben haben Sie Gott erfahren?

Die Anwesenheit und Fürsorge Gottes habe ich in meinem Leben in vielen Momenten und Ereignissen erfahren. Die konkreteste Erfahrung unserer Begegnung mit Gott geschah durch unseren Sohn Viktor. Viktor ist unser zweites Kind, geboren mit einer Behinderung, mit eingeschränkten Fähigkeiten in allen Lebensbereichen, unfähig sich zu bewegen und zu sprechen. Er starb im Alter von 13 Jahren. Anfangs war es sehr schwierig und schmerzhaft, seine Krankheit und seinen Zustand anzunehmen. Aber heute können wir aus tiefstem Herzen sagen, dass er das große Geschenk des guten Gottes an uns ist. Mit Viktor konnten wir die Lehre des Evangeliums jeden Tag leben: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben“ (Mt 25,35). Es ist natürlich, ein gesundes Baby zu füttern und zu wickeln; wenn es aber bereits zehn Jahre alt ist, und wir dies Tag für Tag tun müssen, dann müssen wir einen Sinn darin finden. Manchmal ist es schwieriger, manchmal leichter, in ihm Christus zu entdecken, der unter uns gegenwärtig ist. Es war auch für uns eine herzerwärmende Erfahrung, als einmal ein Priester zu Viktor kam und sich vor ihm hinkniete. Es ist auch schön, wie viel er uns beigebracht hat. Wir meckern oft, werden über jede Kleinigkeit wütend. Und Viktor lächelte ständig. Er war glücklich, wenn wir ihn am Morgen weckten, er war glücklich, wenn er zur Schule ging, er war immer glücklich. Das sollten wir auch in unserer Beziehung zum lieben Gott lernen! Immerhin passierten in Viktors Leben viele Dinge, die nicht angenehm waren, die körperlich sehr schwierig waren, und dennoch konnte er in jedem Moment mit so großer Dankbarkeit und Liebe da sein! Ihm fehlten alle Fähigkeiten, die einen Durchschnittsmenschen heute erfolgreich machen. Er konnte sich nicht geschickt bewegen, er konnte nicht sprechen, er konnte keine Reden halten, dennoch war er als Prophet in seiner Umgebung präsent und predigte durch seine Existenz die Herrlichkeit des guten Gottes. Viktor ist ein gutes Beispiel dafür, wie Gott seine Größe auch in den Kleinen zeigen kann. Und seit seinem Tod ist er unser himmlischer Fürsprecher.

Was sehen Sie als die Herausforderung für Frauen heute?

Meiner Meinung nach stehen heute sowohl Frauen als auch Männer vor großen Herausforderungen. Wir leben in einer perfektionistischen Welt, die es nicht toleriert, dass wir Fehler machen oder schwach sind. Es mangelt an Bewusstsein für die Gnade. Wir glauben oft der Lüge, dass Leistungen uns wertvoll machen. Deshalb überfordern wir uns. Wir wollen in unserer Ehe, in unserer Familie, an unserem Arbeitsplatz, in allen Lebensbereichen perfekt sein. So bleibt keine Zeit und keine Energie mehr, um unsere wahre, von Gott gegebene Berufung herauszufinden, unsere Talente zu entfalten und einzusetzen, und Gottes Traum von uns zu verwirklichen.

Was möchten Sie durch Ihr Leben in dieser Welt verändern?

Das Leben der Christen ist die einzige Bibel, die der moderne Mensch noch liest, so sagte Pater Kentenich oft. Ich möchte ein Werkzeug des lieben Gottes und der Gottesmutter sein, damit ich verwirklichen kann, was Gott durch mich in der Welt wirken möchte.