Elisabeth M. Helmich

43 Jahre (geb. 1977), Dipl. Sozialarbeiterin/-pädagogin. Einrichtungsleiterin einer Pflegeeinrichtung für Menschen mit Behinderungen. Deutschland. Elisabeth Helmich gehört zum Säkularinstitut der Frauen von Schönstatt.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau geprägt?

Die ersten Erfahrungen liegen natürlich schon in der Kindheit. Ich habe eine Mutter, die selber gerne Frau ist und ihr Frau-Sein auch bewusst und mit Freude lebt. Sie und meine ältere Schwester haben mein Frauenbild stark geprägt: zu sich selber stehen, sich selber akzeptieren, dem Gegenüber wohlwollend begegnen, sich am Leben freuen und es bewusst gestalten, eigene Entscheidungen treffen und sich vom Leben, von den Mitmenschen und von Gott formen lassen, um meinen eigenen ganz besonderen Weg im Leben zu finden und zu gehen.

Schon früh kam ich mit Schönstatt in Berührung. Die Schönstatt-Mädchenjugend hat mich seit 1989 intensiv begleitet und geprägt. In ihrem geschützten Raum durfte ich mich als junge Frau ganz entfalten. In der Pubertät war ich sehr schüchtern und selbstunsicher geworden;  durch die Gemeinschaft und Aktivitäten der Mädchenjugend habe ich Selbstbewusstsein und Selbstwertbewusstsein aufbauen können. Ich durfte mich selber besser kennenlernen und ich habe mich – so wie ich bin – angenommen erlebt. Das Erlebnis der „lebendigen Krone“ im Jahr 2000 ist für mich eine Grunderfahrung meines Lebens und auch meines Frau-Seins. Es war ein Geschehen, das mich in das Frau-Sein der Gottesmutter mehr hineinwachsen ließ. Die Entwicklung zur „lebendigen Krone“ innerhalb der Mädchenjugend damals ist auch eine Erfahrung, die mich in das Fiat der Gottesmutter hineinwachsen ließ und weiter wachsen lässt. Sie, die Ja zu Gott in ihrem Leben gesagt hat, das Ja dazu, dass Er an ihr und in ihr wirken darf und durch sie den Menschen begegnen möchte.

Wo in Ihrem Leben haben Sie Gott erfahren?

Die früheste Gotteserfahrung liegt auch in meiner Kindheit: wir sind Samstagabends immer zur Eucharistiefeier in unsere Dorfkirche gegangen. Da war ich häufig schon müde und habe mich an meine Mutter gekuschelt und freute mich auf das leckere Essen nach der Kirche. Anschließend haben wir als Familie immer schön gegessen, so wie andere es sonntags machen. Das war für mich der Inbegriff von Geborgenheit, von Liebe: dieses Ineinander von Gottesdienst, mit seinen Liedern und Gebeten, der schönen Atmosphäre in der Kirche und dem anschließenden leckeren Familienessen.

Durch die Gemeinschaftstreffen in der Mädchenjugend durfte ich Gott insehr vielfältigerWeise erleben. Insbesondere sind mir die Stunden der Anbetung in der Nacht im Heiligtum oder in der Hauskapelle der Sonnenau, unserem Jugendhaus in die Seele gefallen und haben in mir tiefe Spuren Gottes hinterlassen. Vor den seltenen Weihetagen haben wir meistens Nachtanbetung gehalten. Gerne habe ich die Stunden in der tiefsten Nacht genommen, zwischen Schlafen und Wachen. Dieses Allein-Sein vor dem geöffneten Tabernakel hat mich jedes Mal tief ergriffen. Die Zweisamkeit mit Jesus hat mir Geborgenheit im Heiligtum geschenkt. In manchen unruhigen Zeiten der Jugend legten mir diese Stunden Frieden ins Herz. Oft brachten sie Linderung einer tiefen Unruhe auf meinem Weg des Suchens; zumindest bis zum nächsten Sturm.

Und heute ist jeder Besuch eines Heiligtums für mich eine Gotteserfahrung, ein Nach-Hause-kommen in die Arme der Gottesmutter.

Was sehen Sie als die Herausforderung für Frauen heute?

Es ist ganz schön schwer, heute Frau zu sein und ich meine, noch viel schwerer als in meiner Jugend, Frau zu werden. Wenn ich unsere Schönstattbewegung Mädchen und junge Frauen erleben darf, dann bin ich froh und dankbar, wie sie einen Weg zum Frau-Sein für Mädchen und junge Frauen heute anbietet und sich mutig dieser Herausforderung stellt.

Es gibt so unglaublich viele Optionen für mich als Frau, irgendeiner meiner Neigungen nachzugehen und mich dabei mit meinem Sein aus dem Blick zu verlieren. Alles ist richtig heute, woran kann man sich da noch festmachen oder orientieren? Unterschiede zwischen Frau-Sein und Mann-Sein wollen einige nicht mehr benannt haben: Jede*r kann alles sein. Was für einzelne sicherlich wichtig und richtig ist, wird mitunter so dargestellt, als ob das die Normalität ist. Wie positioniert man sich zu Diversität, zu Transgender, zur „queeren Bewegung“…? Wie darf ich ganz Frau-Sein wollen, wenn das Geschlecht auf gesellschaft-liche Prägung oder soziales Konstrukt reduziert wird, wenn Geschlechtsidentitäten nicht voneinander abgegrenzt werden sollen und ihre Bedeutung sich vermeintlich stetig verschieben durch die Machtverhältnisse in einer Gesellschaft, so wie es die „queere Bewegung“ ansieht?

Da kann es unglaublich befreiend sein, wenn in einer Gruppe gleichgesinnter Frauen darüber gesprochen wird, was es bedeutet, heute Frau zu sein. Und vielleicht zusammen Texte von unserem Gründer P. Josef Kentenich zu lesen und zu besprechen, der schon damals – in den 1920er und 1930er Jahren – Rollenstereotype abgelehnt hat. Er sprach von einem „Mehr“, von einem „Plus“ der Frau: „Ich kann hier nur sprechen von einem starken Plus oder Mehr; denn all die Werte, die die Frau hat, hat auch der Mann. Umgekehrt aber auch: es handelt sich nur um ein Plus.“ Er hält an der originellen Eigenart von Mann und Frau fest und gibt in seinen Schriften und Vorträgen viel Orientierung zum Frau-Sein. Solche Gespräche und gemeinsa-men Lesungen waren in meiner Jugend enorm wichtig für meinen Weg als Frau und sind es immer noch.

Was möchten Sie durch Ihr Leben in dieser Welt verändern?

Mein Beruf ist meine Berufung. Ich möchte den Menschen, denen ich begegne, mit Christus in meinem Herzen begegnen. Ein kurzes Stoßgebet in meinem Alltag ist immer wieder: „Jesus, berühre du die Herzen der Menschen durch mich.“

Durch mein Leben, durch meinen genauso normalen wie unvollkommenen Alltag, den ich mit Jesus lebe, möchte ich zeigen, dass Er hier in dieser Welt wirklich da ist. Ich möchte Ihn in Erinnerung rufen und Ihm die Möglichkeit geben, in meinem Leben zu wirken und durch mein Leben auch andere Menschen zu erreichen.

„Für Gott ist nichts unmöglich.“ Lk 1,37 Diese Aussage des Engels bei der Verkündigung Marias ist mir immer wieder Zusage und Mutmacher, dass Gott mit meinem Leben Großes bewirken will und wird, auch wenn ich es nicht erkennen kann.

Mein Wunsch und mein Streben ist, dass Menschen Gottes Liebe durch mich spüren und erleben: durch eine wohlwollende Atmosphäre, durch Freundlichkeit und Anerkennung. Und dass Menschen in meiner Umgebung wachsen und sich entfalten können und vielleicht so das Große schließlich Gott – in ihrem Leben, in sich selber entdecken können.