1953 geboren, verheiratet, 3 Kinder, 4 Enkelkinder. Ausbildung zur Steuerfachangestellten, berufstätig in einem Steuerbüro in Voll- und Teilzeit und Homeoffice, je nach familiärer Situation, 2000 Verkehrsunfall der 19-jährigen Tochter, die seither schwerstbehindert ist. Von 2001 bis 2017 Hauptverantwortliche in der häuslichen Pflege, Betreuung und Förderung der Tochter. 2010 nach Ausbau des Wohnhauses zu einem Mehrgenerationenhaus mit der Familie des Sohnes und der behinderten Tochter. Frau Schindler gehört zur Schönstattbewegung Frauen und Mütter.
Geprägt haben mich sicherlich die Verhältnisse, in die ich hineingeboren wurde. Die Folgen des Krieges waren noch spürbar, jedoch war im ganzen Land Aufbruch angesagt. So standen auch in unserem Familienbetrieb der Aufbau des Geschäftes und die Arbeit im Vordergrund.
In diesen Jahren war es selbstverständlich, dass Kinder nach Kräften mitarbeiteten und im Übrigen gehorchten. Schule rangierte meist erst an zweiter Stelle und Erziehung wurde in vielen Bereichen durch eigene Erfahrungen ersetzt. Trotzdem konnten wir Kinder, manchmal auch mit Raffinesse, uns zum Spielen treffen und uns unsere Freiräume nehmen. Für mich war meine Kindheit schön! Unser Dorf war katholisch geprägt und der Glaube gehört selbstverständlich zum Leben dazu.
Anfang der 60er Jahre herrschte bei uns auf dem Land noch die gängige Meinung, dass Bildung, besonders für Mädchen, nicht wichtig sei, da sie ja sowieso bald heiraten und Kinder haben würden. Es war ein Glücksfall, dass ich die Realschule absolvieren konnte. Das eröffnete mir eine neue Welt und es war mir klar, dass ich einen Beruf erlernen und arbeiten gehen wollte. Für diese Chance war und bin ich bis heute sehr dankbar.
In meiner darauf folgenden Lehrzeit bin ich häufig an meine Grenzen gestoßen, aber durch die Erfahrungen aus meiner Kindheit lernte ich, mich durchzubeißen.
Über 32 Jahre habe ich gerne und erfolgreich in einem Steuerbüro gearbeitet. Dies war nur möglich durch die positive Einstellung meines Mannes zu meiner Berufstätigkeit und seine Unterstützung zu Hause. Neben dem nötigen Fachwissen brauchte ich in meinem Beruf einen guten Umgangsstil mit Menschen verschiedener Einkommensschichten und Charaktere und lernte, sachlich zu argumentieren, ebenso auch Durchsetzungsvermögen, Fairness und die Anerkennung anderer Meinungen. Aus meinem Fachwissen kann ich bis heute manche Hilfestellung bei steuerlichen Angelegenheiten geben. Oft bin ich verwundert, was mir bei dieser Gelegenheit an persönlichen Dingen anvertraut wird.
Wesentlich geprägt hat mich natürlich meine Ehe mit dem richtigen Mann. Wir haben sehr jung (mit 20 Jahren) geheiratet, waren sehr verliebt und sorglos, voller Zukunftspläne und Tatendrang. Für uns war von Anfang an klar, dass wir ein Leben lang zusammen bleiben und gemeinsam alt werden wollen. In diesem selbstverständlichen Vertrauen war es uns auch möglich, schwere Schicksalsschläge gemeinsam zu ertragen, ohne daran zu zerbrechen.
Mit 24 Jahren wurde ich zum ersten Mal Mutter; als unsere jüngste Tochter geboren wurde, war ich 28 Jahre und häufig mit den drei kleinen Kindern überfordert. Hausfrau und Mutter zu sein hatte ich nicht gelernt. Gemeinsam mit meinem Mann und viel Gottvertrauen haben wir auch diese Zeit ohne „größere Schäden“ geschafft. Erst jetzt als vierfache Großmutter bemerke ich, wie viel ich durch und von meinen Kindern gelernt habe und welcher Erfahrungsreichtum mir durch schöne und auch schmerzhaft leidvolle Erfahrungen mit meinen Kindern geschenkt wurde und bin dankbar.
Neben Familie und Beruf war für mich das Ehrenamt in der Pfarrei in verschiedenen Aufgaben wichtig und – zusammen mit meinem Mann – die Mitwirkung bei Familiengottesdiensten und der Familienkreis, dem wir über viele Jahre sehr viele prägende Erlebnisse verdanken.
Geprägt haben mich sicher auch die Jahre in der Schönstatt-Mädchenjugend. In einer Zeit, in der „Oswald Kolle“ und die „Bravo“ angesagt waren, habe ich bei den Treffen in Schönstatt andere Werte kennengelernt. In meinem Elternhaus und auch in unserer Pfarrei herrschte nach dem Konzil eine große Hilflosigkeit. Vertrautes hatte plötzlich an Wert verloren und mit dem Neuen konnte man sich nicht so richtig anfreunden. Plötzlich war Gott nicht mehr der „strafende Gott“, sondern der „liebende Vater“. Gebote galten als Richtlinien und keiner sagte, was man tun und lassen soll. Gewissensentscheidung und Gewissensbildung waren gefragt – doch wie geht das? Schönstatt verdanke ich, dass ich mich bis heute vom „liebenden Gott“ geliebt weiß und vorsehungsgläubig vertrauen kann.
Durch das christliche Umfeld, in das ich hineingeboren wurde, gehörte der Glaube schon immer zu meinem Leben. Die Tatsache, dass immer zur rechten Zeit die für mich richtigen Menschen meinen Weg kreuzten, war für mich Vorsehung und Gnade.
So kam ich in meiner Jugend durch einen Priester in unserer Gemeinde zu Schönstatt und zu den Ehrenämtern in unsrer Pfarrei. Hier konnte mein Glaube in die Tiefe wachsen. Vor „kniffligen“ Gesprächen und schwierigen Aufgaben gehörten für mich Stoßgebete zum Hl. Geist zu meinem Rüstzeug.
Als ich 25 Jahre alt war, wurde bei meinem Vater Lungenkrebs festgestellt und er starb innerhalb weniger Monate. Das war für mich der erste große Schicksalsschlag in meinem Leben. Trotzdem habe ich nie darum gebetet, dass mein Vater wieder gesund würde (das war offensichtlich unmöglich), sondern immer darum, dass das Beste für ihn und uns alle geschieht und Gott uns die Kraft zum Durchtragen schenkt. Natürlich war meine Trauer um meinen Vater sehr groß und ging mir an die Substanz.
Die größte Herausforderung für mich war, als meine 19-jährige Tochter bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde. Ab dem Augenblick, als die Polizei bei uns anrief, stand ich irgendwie neben mir. Während der ersten Wochen, als es stündlich um Leben und Tod ging, war mir große Kraft geschenkt. Ich hatte das Gefühl von „Spuren im Sand“: „Dort, wo du nur eine Spur siehst, da habe ich dich getragen!“ In diesen Wochen konnte ich die Stütze unserer erschütterten Familie sein. Wir waren total aus allem Gewohnten gerissen. Nach vier Wochen wurde unsre Tochter zur Weiterbehandlung in die Nähe des Bodensees geflogen und jeweils ein Elternteil musste dort dabei bleiben. Unsere beiden, gerade erwachsenen Kinder mussten zuhause sehen, wie sie mit ihrem Schmerz und ihrem Alltag klar kamen.
In den nunmehr 20 Jahren seit dem Unfall unserer jetzt schwerstbehinderten und pflegebedürftigen Tochter haben wir viele kleine und größere „Wunder“ erlebt. Anfangs kam häufig die Frage: „Wie schafft ihr das bloß, wie haltet ihr das aus? Vielleicht geschieht doch noch ein Wunder!“ Meine Antwort war damals und ist auch heute, „bei uns geschieht täglich ein Wunder, dass uns die Kraft zum Aushalten geschenkt ist, dass wir als Familie gerne zusammen sind und immer noch lachen können!“
In dieser Zeit wurden uns immer wieder Hilfen durch Menschen oder glückliche Umstände zuteil, zum Beispiel der Platz in der Klinik und später in der Tagesstätte wurden gerade frei, als er von uns gebraucht wurde; die Berufsgenossenschaft kam als Kostenträger ins Spiel; meine Schwestern mit ihren Familien standen uns vielfach bei, ebenso Pflegekräfte, die uns in der häuslichen Pflege kompetent unterstützen konnten. Genau 17 Jahre nach dem Unfall unsrer Tochter wurde uns ein Heimplatz angeboten, es war an einem Dienstag nach Ostern, als uns gerade die „Luft“ ausgegangen war; es gab Seelsorger, die mich begleiteten und Zeit für mich hatten; viele Beter/innen die uns zuverlässig begleitet haben usw.
Die nächste Herausforderung zum weiteren Wachstum, ist die Tatsache, dass wir unsere Tochter vor 3 Jahren, aus gesundheitlichen und auch Altersgründen, in ein Heim geben mussten. Auch hier hat mir der Vorsehungsglaube sehr geholfen, diesen schweren Schritt wirklich zu gehen und abzugeben, wofür ich 17 Jahre meines Lebens fast ausschließlich gelebt habe.
Durch die Corona-Krise mit dem Besuchsverbot in Heimen wurde mir erneut meine Ohnmacht und Hilflosigkeit bewusst. Diese Herausforderung ist für mich nur im Vertrauen auf Gott und das Wissen um seine Hilfe zu ertragen.
Ich nenne einige Stichpunkte:
Feministisches Frauenbild im Sinne von: „die Frau ist der bessere Mann“, statt die Stärken der Frau in ihrer Eigenart zu akzeptieren und zum Wohl der Gesellschaft zu fördern (unsere Bildungspolitik ist zwischenzeitlich sehr darauf abgestimmt, der Wirtschaft zu dienen). Entscheidungen, die nicht der „gängigen Meinung“ entsprechen, werden oft nicht akzeptiert – zum Beispiel, wenn eine gut ausgebildete Frau sich gemeinsam mit ihrem Mann entschließt, wegen Kindern und Familie für einige Zeit nicht berufstätig zu sein.
Natürlich ist es auch wenig verlockend, nach einem Studium oder einer Ausbildung und der mühsam erkämpften Anerkennung im Beruf sich zugunsten der Familie zurückzunehmen.
Ich persönlich war immer sehr gern berufstätig und habe mit Hilfe meines Mannes alles in Bewegung gesetzt, um meinen beruflichen Anforderungen in Teilzeit gut nachzukommen. Die berufliche Anerkennung war für mich wichtig und meine erwachsenen Kinder versichern mir heute, dass es ihnen nicht geschadet hat. Aber die Verbindung von Familie und Beruf hat viele Klippen, eine kleine Fieberattacke eines Kindes kann zum Problem werden, auch für den Arbeitgeber, der Ausfälle abpuffern muss. Die Corona-Zeit hat uns allen aktuell sehr schnell und deutlich hier die Grenzen aufgezeigt.
Eine weitere Herausforderung: Ehe, vor allem im christlichen Sinn, ist infrage gestellt. Ich kenne Frauen, die ihren Partner gern heiraten würden, manchmal sind gemeinsame Kinder da. Aber der Partner findet es nicht nötig. Die Gesellschaft legt viel Wert auf Absicherung im Falle einer Trennung. Ich würde mir wünschen, dass Paaren mindestens ebenso viele Tipps für eine gute Partnerschaft, auch für schwierige Phasen, gegeben würden.
Als Herausforderungen sehe ich auch die dauernde Erreichbarkeit (immer online, sonst verpasse ich etwas Wesentliches), die Abhängigkeit von moderner Kommunikationstechnik, die Informationsflut mit Tendenz Panikmache. Es bleibt keine Zeit und Ruhe um eigene Gedanken zu entwickeln.
Für mich sind starke, liebende und fest in christlichen Werten verwurzelte Frauen wichtig, die ihre Familien und ihr Umfeld wesentlich prägen und ein positives Klima schaffen können.
Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten in der Welt möchte ich dazu ermutigen, das Gute und Frohmachende zu sehen und den eigenen Verstand zu gebrauchen.
Für meine Kinder und Enkelkinder bin ich gerne ein verlässlicher „Fels in der Brandung“ und möchte meine Überzeugung weitergeben: es gibt immer eine Lösung, wenn oft auch anders als ich es mir wünsche. Und über uns allen ist ein liebender Gott, der uns nicht im Stich lässt, wenn wir es zulassen!
Das Gebet zum Hl. Geist nimmt in schwierigen Situationen den „Druck“ weg und lässt die Dinge klarer sehen. Durchhaltevermögen, Ehrlichkeit und Treue (auch zu sich selbst) sind nicht immer einfach, aber der Weg zur inneren Zufriedenheit. Von meiner Mutter habe ich oft den Satz gehört: „Wer mit dem Leben spielt, kommt nie zurecht. Wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt immer Knecht!“ Diese Lebensweisheit ist nicht leicht zu leben, schützt aber vor Abhängigkeiten und macht im Endergebnis glücklich und zufrieden.