Jahrgang 1965, Ausbildung zur Pflegefachfrau, dann zur Rettungssanitäterin sowie Fernstudium Management, derzeit dipl. Rettungssanitäterin HF, Leiterin einer Dienstgruppe (35 Personen in drei Teams, mittlerer Kader, Schutz & Rettung Zürich). Petra Schuh war von Geburt an schwerhörig, ist nach einer Viruserkrankung im Oktober 2009 ertaubt und lebt mit einem Cochlea Implantat (elektronische Innenohrprothese). Wohnt in Pfäffikon SZ/ Schweiz. Gehört zur Schönstattbewegung Frauen und Mütter.
Zunächst die Erfahrung, dass alle um mich herum anscheinend besser wissen, was für mich gut und nicht gut ist.
Ich war umgeben von Personen, die zwar wohlwollend, jedoch ungefragt mit guten Ratschlägen sich in mein Leben eingemischt haben. Alle diese Ratgebenden glaubten zu wissen, was ich einmal würde machen können oder eben nicht, da – jammerschade – mit dem Handicap der Schwerhörigkeit nicht viel zu machen sei. Das geschah bis ich knapp meine Volljährigkeit erreicht hatte. Dann, eines Tages, mit etwa 16 Jahren, beschloss ich mein Leben in eigene Hände zu nehmen. Was konnte schon passieren, außer, dass ich allenfalls einmal ein Ziel nicht erreichen würde?!
Die neue Erfahrung, die sich bis heute fortsetzt, ist mein Grundsatz: Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum. Dies, gepaart mit dem Glauben und Vertrauen auf die Unterstützung unserer himmlischen Begleiter, gibt mir die Kraft jeden Tag das zu tun, was ich für richtig halte. Als eine der wenigen Frauen im Kader vom Rettungsdienst verfolge ich dabei grundsätzlich 2 Prinzipien:
2009 haben Sie durch eine Viruserkrankung buchstäblich über Nacht vollständig Ihr Gehör verloren. Damit standen Sie in Ihrem Beruf als Rettungssanitäterin vor dem Aus. Wie ging es weiter?
Ich habe mich für ein Cochlea Implantat entschieden, eine elektronische Innenohrprothese. Das Implantat gibt ein sehr technisches Hören, ich höre alles wie eine elektronische Computerstimme. Es folgte ein monatelanges Hörtraining, ausgeprägt motiviert von dem Wunsch, wieder so gut hören zu können, dass eine Umschulung unnötig werden würde. Beinahe ein Jahr lang konnte ich „nur“ verstehen, ohne eine Stimme zu identifizieren, auch nicht ob sie weiblich, männlich oder kindlich war. Das Musikhören zu lernen, war eine spezielle Herausforderung, die ich an einem Keyboard geübt habe, da mit der Ertaubung ein Musizieren nicht mehr möglich war. Ich wollte diese für mich wichtige Ressource gerne wieder zurückerobern, damit ich mein wunderschönes Hobby – Posaunenspielen – wieder ausüben konnte. Nach eineinhalb Jahren war ich soweit.
In meinem Beruf als Rettungssanitäterin, in der Führung eines mittlerweile 35-köpfigen Teams, erlebe ich mein Handicap nicht nur als hinderlich. Ich habe gelernt, mich am Einsatzort zu fokussieren, störende Geräusche auszublenden, habe meine Sinne geschärft. Ich höre auf meine Intuition und erspüre recht schnell, wann wir erhöhte Vorsicht walten lassen sollten und in Gefahr geraten. Alles das ist von Vorteil für meinen Beruf.
Mit einer so starken Einschränkung zu leben, geht das denn gut?
Wahrheitsgemäß will ich sagen: Nein, nicht von selbst. Es geht, weil ich es gern möchte, weil ich gelernt habe, Kompromisse zu schließen, auch gelernt habe, immer wieder Hilfe anzufordern und anzunehmen, mir Ohren „zu leihen“. Weil ich jedoch viel wieder zurückgewinnen konnte, bin ich zufrieden und genau deshalb geht es doch gut. Ich gestatte mir auch heute noch „schwarze Tage“, an denen ich den Verlust empfinde. Doch achte ich dann darauf, mich sehr bald wieder von solcher Einstellung zu entfernen. Es geht aus meiner Sicht im Leben darum, Herausforderungen anzunehmen und etwas daraus zu machen. Wenn man dann unbedingt zum alten Zustand zurückwill, kann das nicht zu Erfolg und Zufriedenheit führen.
Grundsätzlich erfahre ich Gott in jedem Moment meines Lebens, wenn ich mit wachem Herzen unterwegs bin, was zugegeben leider noch zu wenig oft der Fall ist.
Ganz bewusst jedoch, habe ich Gott in all den kritischen Situationen erfahren, die ich im beruflichen Leben zu be- und überstehen hatte. Sei es, die heikle Bergung eines schwer verletzten oder erkrankten Patienten, in einem sehr engen, oder voll gestellten Treppenhaus, wo auch nur ein Fehltritt für alle Beteiligten (Retter und Patient), fatale Folgen haben kann, oder die Bergung mit einer Drehleiter, wenn Patienten liegend aus ihren Wohnungen geborgen werden. Dann sind gute Absprachen nicht nur wichtig, sondern geradezu lebensnotwendig. Wenn ich in solchen Momenten auch noch die Funktion der Einsatzleitung erfülle, trage ich vor allem schwer an der Verantwortung und überstehe diese Situationen, indem ich stille Stoßgebete an Gott richte und auf seine Hilfe baue, vertraue und sie auch erfahren darf.
In meiner über 20-jährigen Tätigkeit im Rettungsdienst, habe ich einige Male auch unmittelbarer Gewalt gegenüber gestanden. In solchen Momenten war es nach dem Schreckmoment ausschließlich das Vertrauen und die Hilfe Gottes, dass ich stets unbeschadet aus diesen Situationen wieder herausgekommen bin. Sei es, dass ich die nötige Ruhe erhalten habe, um die Situation deeskalierend beeinflussen zu können, oder mein Heil in der Flucht fand. Doch auch dann wurden meine Schritte zum einen schnell genug und zum anderen in die richtige Richtung gelenkt.
Einsätze bei denen die ergriffenen Maßnahmen nicht helfen, wenn ich ahnen kann, dass bei dem Betroffenen ein Heimgang zu Gott bevorsteht, sind nicht nur hochanspruchsvoll, sondern ermöglichen mir Dank des Glaubens ein besseres Aushalten und Begleiten solcher Situationen.
Selbstverständlich habe ich auch in meinem privaten Leben anspruchsvolle Situationen überstanden, hier haben mir die beruflichen Erfahrungen geholfen, das Geschehen „richtig“ einzuordnen und auf Gott, die Gottesmutter und die Fügung zu vertrauen.
Immer wenn ich solch heikle Situationen überstanden habe, danke ich Gott für seine Güte und bedenke, dies war nicht nur durch mein Können möglich.
Frau von heute muss geradezu Karriere machen, quasi nebenbei heiraten und Familie gründen. Dabei darf sie nicht scheitern, weder beruflich noch privat und befindet sich damit unter dem Anspruch, geradezu perfekt, leicht und locker, all diese Aufgaben und Herausforderungen unter einen Hut zu bringen. Dass Karriere oder Familie für sich betrachtet bereits eine beachtliche Herausforderung darstellen, scheint für die Frau von heute nicht zu gelten.
Ich bin der Meinung, niemand kann und muss alles können, schon gar nicht perfekt. Und bedenken wir, es braucht jeden, in allen Berufen und Funktionen.
Ich möchte das Stück Welt, in dem ich lebe und wirke, ein Stück menschlicher gestalten. Ich achte nach Kräften darauf, im und mit dem Liebesbündnis zu leben, weil ich an seine Kraft glaube. Ich führe die mir anvertrauten Teams so fair und menschlich wie möglich. Ich achte darauf, dass Werte wie Vertrauen noch etwas gelten und bedeuten. Ich nehme mir keine Extras heraus, sondern leite durch Vorbild-sein. Dazu gehört auch das (Vor)Leben einer Fehlerkultur, da Fehler zu uns Menschen dazu gehören.