Rosemarie Bohrer

80 Jahre alt, sei 38 Jahren verwitwet, 5 Söhne, 1 Tochter, 12 Enkel, 2 Urenkel; Studium der Erziehungswissenschaften; in Schönstatt mit ihrem Mann in der Familienliga, später im Schönstatt-Mütterbund, in der Leitung als Bundeskursmutter 2001 bis 2015.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau geprägt?

In meinen frühen Jahren war ich zumeist von Frauen umgeben, die Männer (Vater, Großvater, Onkel) waren im Krieg umgekommen. Meine Mutter hielt ihren Haushalt in mustergültiger Ordnung, an der Schwester meines Vaters bewunderte ich die Kochkünste. Meine Großtante – eine pensionierte Lehrerin – brachte mir die Schönheit der Natur nahe. Sie konnte zu jeder Situation ein passendes Gedicht aufsagen. Das Miteinander mit meinem Mann in der Ehe und die Geburt und das Aufwachsen unserer Kinder schenkten glückliche Jahre und wertvolle Erfahrungen. Ehrenamtliches Engagement in der Pfarrgemeinde und in kirchlichen Vereinen waren neben dem Familienleben möglich. Die erwachsenen Kinder, die in ganz Deutschland verstreut leben, kommen immer noch gern bei mir zusammen. Zu den kleinen Enkelkindern werde ich, wenn nötig, zur Betreuung gerufen. Die großen Enkelkinder sind dankbar, dass ich ihnen bei den Bachelor- und Masterarbeiten durch Tipps und Korrekturlesen helfe. Mein Ruhestand ist sehr ausgefüllt, auch durch Schönstatt in der Diözese. Gern arbeite ich im Garten, wo ich Obst und Gemüse pflanze.

Wo in Ihrem Leben haben Sie Gott erfahren?

Von klein an war mir Gottes Wirklichkeit bewusst. Als ich etwa drei Jahre alt war, zeigte mir meine Mutter einmal den Sternenhimmel und sagte, dass mein Vater – der im 2. Weltkrieg in Russland umgekommen war – dort oben sei. Es blieb in mir das Gefühl, dass es noch etwas gibt außer dem, was man sehen und greifen kann.
Meine Großtante Anna hat mich religiös geprägt. Sie führte mich in die Kirche, wo es ein schön geschmücktes Marienbild gab – später lernte ich, dass es ein MTA-Bild war. Sie nahm mich früh mit zur Fronleichnamsprozession, wo mich das Hinknien sehr beeindruckte. Ein starker Vorsehungsglaube wurde mir geschenkt. Meine Lebensplanung sah so aus, dass ich Lehrerin für Latein und Französisch werden wollte. Als mich aber mein zukünftiger Ehemann als 17-jährige fragte, ob ich ihn heiraten wolle, sah ich das als Gottes Fügung und sagte ja. Zwei Jahre später waren wir ein Ehepaar.
Der Tod meines Mannes mit 57 Jahren und eines Sohnes mit 29 ließen mich Gottes Eingriff in mein Leben erfahren – hier die warme Vaterhand in „eisernen Handschuhen“ (J.K.) –, aber auch seinen Beistand durch meine Mutter, die Großtante und materielle Sicherheit, da mein Mann Lehrer gewesen war. Auch dass ich eine Heimat in Schönstatt finden und das Liebesbündnis mit der MTA schließen durfte, zähle ich dankbar zu Gottes Fügungen und Führungen. Gottes Nähe zeigt sich mir im Alltag in ganz kleinen Begebenheiten: Wenn zu viel auf einmal bewältigt werden soll und ich ihm sage, ich schaffe es nicht – da fällt ein Termin aus und ich habe wieder Luft. „Du hast mir Raum geschaffen, als mir angst war“ (Psalm 4,2).

Was sehen Sie als die Herausforderung für Frauen heute?

Die Frau soll heute vielen Rollenbildern entsprechen: attraktiv sein für ihren Mann, Partnerin an seiner Seite, eine liebevolle Mutter, die für die Kinder da ist, oft auch als Chauffeurin zu deren Freizeitaktivitäten. Sie hat eine gute Ausbildung und füllt einen verantwortungsvollen Beruf aus. Das alles zerrt an der Frau und sie muss sich entscheiden, was für sie stimmig ist, wo sie Prioritäten setzt. Es wäre gut, wenn sie auf ihre innere Stimme hört und nicht auf das schaut, was „man“ tut, was die meisten tun und weil sie es tun. Sie ist dem Mann gleichwertig, aber nicht gleichartig. Ich würde ihr wünschen, dass sie ihre fraulichen Eigenschaften pflegt, dass sie ihr Frausein in der Ehe und ihr Muttersein als Berufung erkennen und annehmen kann, dass sie – wenn finanziell möglich – sich selber um ihr Baby und Kleinkind kümmern möchte, dabei gerne dient und nicht genau darauf achtet, ob sie mehr als ihr Partner im Haushalt und bei den Kindern tut. Zu ihren Stärken als Frau kann auch gehören, dass sie ihre Wohnung zu einem Zuhause macht für ihre Lieben und eine frohe Atmosphäre verbreitet. Auch beruflich könnte sie andere Akzente setzen, nicht die Männer nachahmen im Karrierestreben, sondern das Mitmenschliche beachten. Als große Herausforderung heute sehe ich, dass die Frau auch in gottferner Umgebung  aus dem Glauben lebt und ihn an die Kinder weitergibt, dass auch ihr Mann ihren Glauben anziehend erlebt und möglichst teilt. Wir Frauen sollten uns an Maria halten, sie ist eine von uns, aus dem Frauengeschlecht, wenn auch besonders erwählt. In der Lauretanischen Litanei sind alle ihre Vorzüge benannt. Ihre Würde färbt auf uns Frauen ab. Wir brauchen nicht unsere Geltung erstreiten.

Was möchten Sie durch Ihr Leben in dieser Welt verändern?

Großes zu tun ist mir nicht aufgetragen. Ich möchte durch mein Sein und Tun ein wenig die Waage auf die Seite des Guten neigen. Dazu gehört für mich: Andere gelten lassen, das Positive in ihnen sehen, selber mehr im Hintergrund bleiben, dienstbereit sein, nicht aufrechnen, nicht fordern, Freiheit lassen. Im Kleinen treu sein, ein wenig Wärme ausstrahlen, die kleinen Tugenden des hl. Franz von Sales pflegen, die auch P. Kentenich so hoch schätzt (z.B. die Fehler anderer übersehen, die Freude anderer teilen und so vermehren, den Bedürfnissen anderer zuvorkommen). Mithelfen, dass Werte hochgehalten werden wie soziale Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung, Mitverantwortung für unsere Umwelt. Ich möchte Zeugnis geben von Gott als dem barmherzig liebenden Vater. Ich brauche nicht perfekt sein und auch die anderen dürfen ihre Fehler haben. Maria, nichts ohne dich – nichts ohne uns. Ich kann das Bisschen dazutun, was von mir erwartet wird – meine tägliche Arbeit gut tun, aufmerksam sein auf die Bedürfnisse anderer, glauben, beten, die hl. Messe mitfeiern, anbeten – und das ganze Vertrauen auf die Fürsprache und Hilfe der Gottesmutter setzen.