Schwester M. Nancy Arroyo

Geboren 1953 in Santurce, Puerto Rico. Studium der Biologie und Biotechnologie in Puerto Rico und Mexiko. Berufstätigkeit an der University of Puerto Rico, Mayagüez Campus und an der Pontifical Catholic University of Puerto Rico. Seit 2019 Direktorin des biotechnologischen Forschungszentrums an der Pontifical Catholic University, Puerto Rico. Gehört zum Säkularinstitut der Schönstätter Marienschwestern.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau geprägt?

Ich bin in einer sehr gläubigen protestantischen Familie aufgewachsen. Als Teenager fand ich später meinen Weg in die katholische Kirche. Meine Eltern haben dies sehr ruhig aufgenommen. Sie gingen in ihre Kirche, und ich ging in die Pfarrkirche der Stadt. Bis sich eines Tages meine Mutter zu mir setzte und sagte: „Katholiken sprechen viel über die Mutter Jesu. Wir Protestanten sagen nicht allzu viel über sie, aber wir folgen ihrem Beispiel viel besser durch die Art, wie wir uns kleiden, wie wir reden und uns benehmen.“ Das war für mich schockierend. Da wusste ich, dass meine Liebe zur Gottesmutter und meine Lebensweise besser zusammenpassen müssten. Ich brauchte den Kontakt zu anderen katholischen Frauen, die danach strebten, in unserer modernen Zeit Maria ähnlich zu werden.

Nicht allzu lange nach diesem Gespräch lernte ich die Spiritualität Schönstatts kennen. Ich traf gläubige katholische Frauen jeden Alters und jeden Lebensstandes, die die Sehnsucht hatten, wie Maria in der heutigen Zeit zu sein. Ich hatte das Gefühl, meinen Platz gefunden zu haben. Ich schrieb meiner Mutter einen langen Brief und erzählte ihr von den Schönstattgruppen und von dem schönen Gebet: „Lass uns gleichen deinem Bild, ganz wie du durchs Leben schreiten, stark und würdig, schlicht und mild …“ (J.K.) Sie traf die Frauen aus meiner Gruppe. Später sagte sie: „Das ist eine nette Gruppe. Jetzt bin ich im Frieden.“ Bis in ihre letzten Tage auf Erden hinein hatte sie eine tiefe Wertschätzung für die Gottesmutter und für die Spiritualität Schönstatts. Wir konnten die schönsten Gespräche führen und uns gegenseitig inspirieren. Als der Tag meines Liebesbündnisses mit Maria kam, erklärte ich meiner Mutter, was ich vorhatte. Da erzählte sie mir, dass ihre Mutter – meine Großmutter – mich schon als Baby in einer Zeit großer Not der Gottesmutter geweiht hatte.

Wenn ich zurückblicke, war der prägendste Moment in meinem Leben wohl der Augenblick, als ich das Liebesbündnis mit Maria schloss: Als ich an jenem 11. April 1974 die Gottesmutter bat: „Führe mich an den Ort, den Gott von aller Ewigkeit für mich vorgesehen hat. Hilf mir, ja zu sagen, wie du, Mutter und Königin …“ Sie hat meine Bitte ernst genommen, und ich fand meine Berufung als Schönstätter Marienschwester. Seitdem ist die Gottesmutter unserem Bündnis treu geblieben und hat mich in allen Unsicherheiten geführt: persönlich und beruflich, als Wissenschaftlerin und als Professorin. Sie half mir, den richtigen Studiengang an der richtigen Universität zu finden und öffnete mir die Türen zu einer Promotion. Ich fand eine kostenlose Wohnung und finanzielle Unterstützung für mein Studium und später den perfekten Job an einer katholischen Universität. Jemand hat einmal gesagt: „Gott beruft nicht immer die, die fähig sind, aber immer befähigt er die, die er beruft.“

Ich bin so dankbar für den Ruf der Liebe Gottes und kann nur mit einem Gebet von Pater Kentenich sagen: “Für Gaben, die sie schenkte ohne Maß, sei ‚Sendungstreu‘ das Deo gratias.”

Wo in Ihrem Leben haben Sie Gott erfahren?

Ich habe Gott und seine Barmherzigkeit oft in meiner Vergangenheit erlebt durch meine Eltern, meine bewundernswerten vier Brüder und meine einzige Schwester, durch weitere Verwandte, durch wunderbare Freunde, die im Laufe der Jahre zu einer Familie für mich wurden, und auch in meiner Schwesterngemeinschaft. Ich habe Gottes Barmherzigkeit im Gebet und in besonderen Situationen erfahren, bei erstaunlichen Freuden und Erfolgen, aber auch in überaus schmerzhaften Momenten. Ich konnte Gott hinter diesen Erfahrungen entdecken dank unserer Schönstatt-Spiritualität, die mir half, ihn als dem barmherzigen Vater in meinem täglichen Leben zu begegnen. Als ich zum ersten Mal die Worte Pater Kentenichs las: „Nichts kommt von ungefähr, von Gottes Güt‘ kommt alles her“ oder „Lassen Sie sich führen vom praktischen Vorsehungsglauben“, da ging mir ein neues Licht auf. Diese neue Sicht des Lebens und der ganzen Welt ließ mich verstehen, dass ich damit das nötige Rüstzeug erhalten hatte, um ein glückliches und fruchtbares Leben zu führen, geborgen in Gottes väterlicher Liebe. Diese Spiritualität hat auch in meinem Berufsleben als Wissenschaftlerin tiefe Spuren hinterlassen, da ich in Freude und Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung stehe. Ja, ich stehe in Ehrfurcht vor jedem Leben, und ich habe die großartige Gelegenheit, dies meinen Studenten weiterzugeben. In dem Bioethik-Kurs, den ich den Doktoranden halte, habe ich die Möglichkeit, den Studenten zu helfen, das Leben schätzen zu lernen, ihren Verstand und ihr Herz dafür zu öffnen, Gott hinter allem, was sie tun, zu finden. In einem Kurs sprachen wir darüber, wie man sich um Kranke kümmert, wie man ihre Perspektive versteht und wie man ihr Leben bereichert. Ich sah, dass ein Student sich viele Notizen machte; er sagte aber nichts. Am Ende des Semesters schrieb er mir, dass seine Mutter seit Jahren im Koma gelegen habe und dass sie als Familie von Jungen sehr viele Fragen gehabt hätten, was neben der richtigen Pflege noch für sie getan werden könne. Er erwähnte, dass der Bioethik-Kurs ihn darüber aufgeklärt habe, dass man ihr das Wesentliche geben müsse, was sie brauchte: das Mitgefühl, die Würde, die Liebe, die sie verdiente. Ein Jahr später kam er wieder, um mir mitzuteilen, dass seine Mutter friedlich verstorben sei und die Familie die Zeit hatte, all das zu würdigen, was die Mutter auch noch in ihrem Leiden für sie getan hatte. Ich war so dankbar.

Was sehen Sie als die Herausforderung für Frauen heute?

Der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung wird schon lange geführt, und er hat in verschiedenen Bereichen – in der Familie, am Arbeitsplatz, in kirchlichen Kreisen, in der Regierung und im Bildungswesen – einige hervorragende Ergebnisse erzielt. Und doch sind Frauen immer noch mit Gewalt, Diskriminierung und vielen anderen Barrieren konfrontiert. In Schönstatt schätzen wir alle Anstrengungen, die unternommen werden, um das physische und spirituelle Leben der Frau zu schützen. Wir setzen uns ernsthaft und umfassend für die Erziehung der Frau ein. Wir glauben an die besondere Sendung der Frau; wir schätzen ihre Rolle im Familienleben, in der Kirche und in der Gesellschaft als Ganzes. Gleichzeitig sehen wir die Notwendigkeit, einige wichtige Fragen zu beantworten. Könnte es sein, dass man einen Schwerpunkt auf die Anwendung von äußeren Strategien gelegt hat, um den Beitrag der Frau in der Gesellschaft sicherzustellen? Sollten diese Strategien, so notwendig sie auch sein mögen, nicht von einer Stärkung der inneren Ressourcen der Frauen begleitet werden? Kennen wir diese Ressourcen? Sind wir uns bewusst, dass wir als Frauen Trägerinnen einer Verheißung sind?

Als Frau in der Wissenschaft bin ich ständig herausgefordert, dazu beizutragen, dass Antworten auf die Bedürfnisse unserer Zeit gefunden werden. Wir können so leicht von der Präzision und Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts beeindruckt und beeinflusst werden. Jeden Tag durchbricht die Wissenschaft ihre eigenen Grenzen, und wer ist da, um die Parameter für die richtige Auswertung dieses Fortschritts zu liefern? Als Wissenschaftler werden wir dazu ausgebildet, der bewährten wissenschaftlichen Methode zu folgen. Und doch ist meine Erfahrung, dass wir über die wissenschaftliche Methode hinausgehen müssen. Als Wissenschaftlerin muss ich es wagen und darauf bestehen, dass wir bei der Erziehung junger Forscher darauf achten, dass natürliche und übernatürliche Fähigkeiten entwickelt werden, die bei der Unterscheidung helfen, wann der Fortschritt in der Wissenschaft die Grenze überschritten hat. Manchmal ist es eine so feine Linie, dass wir sie nicht klar erkennen können. Es gibt viele Beispiele, die ich nennen könnte. Wenn ich an das Leid einer Mutter denke, die keine lebensfähigen Kinder zur Welt bringen kann … Die medizinische Biotechnologie bietet ihr die Möglichkeit, durch eine umstrittene Technik, bei der die DNA von drei Menschen verwendet wird, gesunde Kinder zu bekommen. Am Ende hat das Baby drei Eltern. Wie kann ich als Frau in der Wissenschaft an die Biotechnologiestudenten appellieren, dass sie mehr sehen als das, was die Wissenschaft bietet, und dass sie noch andere Kriterien in ihre Analyse einbeziehen? Ich sage ihnen oft: Sie kennen das Sprichwort: „Nenne mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist.“ Ich habe es ein wenig abgewandelt: „Nenne mir dein Menschenbild, und ich werde dir sagen, wer du bist.“ Wenn Sie einen Menschen in seinem embryonalen Stadium als einen Zellhaufen sehen, dann können Sie alles mit ihm machen: ihn in einem Reagenzglas züchten, ihn manipulieren, wie in diesem Drei-Eltern-Verfahren; Sie können ihn einfrieren, ihn außerhalb des heiligen ehelichen Aktes zeugen, Sie können ihn wegwerfen, wenn er nicht den Standards entspricht. Aber wenn Ihr Menschenbild in jeder Person „einen inkarnierten Gedanken Gottes oder ein Spiegelbild der Heiligen Dreifaltigkeit“ (J. Kentenich) sieht, dann werden Ihre wissenschaftlichen Bemühungen ein festes Fundament haben und auf Liebe, auf Respekt für die Würde, Integrität und Transzendenz des Menschen, den Sie vor sich haben, beruhen. Dieses Menschenbild wird eine klare Vision, eine gute Grundlage für Ihre Arbeit, für Ihr Leben bieten.

Als Frauen dürfen wir nicht vergessen, dass wir mit der Gabe, für den Menschen die Tür zum Eintritt in diese Welt zu sein, auch die Aufgabe haben, weiterhin die Würde jedes Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu schützen. Im Liebesbündnis mit Maria, unserer Mutter und unserem Vorbild, können wir als Frauen jenes Geschenk an die Welt sein, das Pater Kentenich so beschreibt: „Es gibt nichts, was Gott so ähnlich ist, wie eine edle Frau, die in edler Gelockertheit und schlichtem, gotterfülltem Selbstbesitz diesen Geist der gezähmten Freiheit ihr eigen nennt. Das heißt, wie eine … Schwester der lieben Gottesmutter, wie ich sie gerne der Kirche schenken möchte.“

Was möchten Sie durch Ihr Leben in dieser Welt verändern?

In dem Moment, als ich die ersten beiden Frauen aus der Schönstatt-Bewegung hier kennenlernte, hat mich etwas an ihnen fasziniert. Sie waren charmant, fröhlich, fraulich und natürlich, und sie strahlten inneren Frieden aus. Beide hatten Pater Kentenich gekannt und waren von ihm geformt worden. Hier waren zwei Frauen – eine, die ihr Leben Gott geweiht hatte, und die andere, eine Frau und Mutter – so rein, so natürlich und übernatürlich zugleich, so selbstsicher, froh und glaubwürdig. Ja, sie waren glaubwürdige Zeuginnen einer Spiritualität, die die Frauen für ihre Aufgabe in der Gesellschaft befähigt. Ich sagte mir: Auch ich möchte anderen diesen bleibenden Eindruck vermitteln. Ich möchte anderen Frauen helfen, diese Lebensfülle zu erreichen. Ich möchte zur Erziehung der Frauen beitragen, damit wir tiefer davon überzeugt sind, dass wir der Gesellschaft etwas zu geben haben. Diese glaubwürdigen Beispiele haben mir später geholfen, mich in einer wissenschaftlichen Welt zurechtzufinden, die – zu Recht – Spitzenqualität, Präzision, harte Arbeit, Disziplin, Wahrhaftigkeit, aber auch Intuition, Einfühlungs­vermögen und Barmherzigkeit fordert. Als Frau kann ich die Herausforderung annehmen und mich und andere dazu erziehen, diesen kraftvollen Beitrag zu leisten. Wie die Gottesmutter können wir als Frauen Partnerinnen und Mitarbeiterinnen der Männer sein, wenn es darum geht, die Welt nicht nur zu verbessern, sondern sie zu einem wahren Zuhause für andere zu machen. Ich kann andere Frauen stärken, ihnen helfen, ihre innere Schönheit zu finden, ihnen das Rüstzeug weitergeben, das ich erhalten habe, um ein tieferes Wissen über mich selbst zu erlangen. „Nur wer sich selbst kennt, kann zum einzigartigen Geschenk für andere werden.“ Wo immer ich lebe, arbeite, bete und leide, möchte ich Schönstatt bauen – eine „schöne Statt“ in vielen Herzen und in meiner Umgebung.